Seit dem ich das C2M Modell kennengelernt habe, beschäftigt mich die Frage, wie ich/man/wir Räume schaffen können, die es uns ermöglichen undsere Fähigkeiten Komplexität zu managen zu erweitern. Einmal für uns selbst und dann auch für andere Menschen, wo es uns nötig erscheint.
zB Wenn K2 unter Streß auf K0/K1 wieder zurück fällt, was hilft, wieder auf K2 zu kommen? Und wie kann es dann für K2 weiter gehen?
Gerne möchte ich mit euch über Erfahrungen sprechen und Ideen sowie Gedanken austauschen.
Im Austausch mit @SvenK beim CD Seminar bin ich wieder konkreter mit diesem Thema in Kontakt gekommen und eröffne hier in Absprache mit ihm, einen neuen Beitrag zu dem Thema, welches er schon in seinem anderen Beitrag erwähnte.
Zum theoretischen Hintergrund möchte ich noch ein paar Gedanken teilen, die ich bisher von Gitta verstanden habe:
Wir werden alle als Komplexitätsmeister geboren
alle Kinder können K2, dann geschieht Ihnen Welt bzw die Konditionierungssysteme und der Rückfall auf K1/K0
Unsere Gesellschaft mit der technischen Entwicklung funktioniert auf K2
Der Großteil der erwachsenen Befölkerung zeigt K0 und K1
Erwachsene von K1 zu K2 zu begleiten sei äusterst schwierig/ kaum möglich (damit tue ich mich persönlich sehr schwer)
unsere globalen Krisen benötigen hohe Komplexitätsmanagementfähigkeiten (was tun also?)
Diese Entwicklungsperspektive im Sinne der Selbststeuerung interessiert mich auch sehr. Hierbei finde ich zunehmend die Herstellung einer Verbindung von Komplexitätsmanagement mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen spannend (z. B. Embodiment oder Polyvagal-Theorie).
Ich denke, dass die Integration der körperlichen und kognitiven Prozesse ein Zurückfallen auf niedrigere K-Stufen unter Stress vermindern bzw. ggf. sogar eine Erweiterung der Komplexitätsmanagement-Fähigkeiten unterstützen kann.
Erfahrungen habe ich noch nicht gesammelt. Ich verfolge jedoch seit einiger Zeit die Forschungen verschiedener Neurowissenschaftler, u.a. von Dr. Maja Storch im Bereich Embodiment oder den Einsatz der Polyvagal-Theorie für eine gesundheitsfördernde Kommunikation (siehe „Die Brain-to-Brain-Connection“). Nachdem ich mich mit dem C2M etwas mehr beschäftigt habe und Gittas Praxisbeschreibungen zu den Merkmalen der verschiedenen K-Stufen reflektiert habe, kam mir der Gedanke, dass die Integrationsprozesse nicht nur auf kognitiver, sondern auch auf körperlicher Ebene ablaufen könnten.
Eine Berücksichtigung dieser Wechselbeziehung bei psychischen Erkrankungen kann ich mir auch gut vorstellen. Letztendlich dienen diese Modelle ja dazu, eine bessere Verbindung zwischen den inneren Prozessen herstellen zu können.
Präventiv sehe ich gerade bei Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Einsatzgebiet. Hohe Komplexitätsmanagement-Fähigkeiten verbunden mit einer guten körperlichen Wahrnehmung werden meiner Ansicht nach positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das soziale Miteinander haben.
Mal eine Perspektive aus einer anderen Welt. Komplexitätsmanagementfähigkeiten kann man üben, sodass man in Stresssituationen stabil auf einer Stufe bleibt. Nichts anderes machen Einsatzkräfte z.B. bei der Feuerwehr oder Sondereinsatzkommandos, die mit hochgradig stressigen Krisensituationen zu tun haben, wo sich entscheidende Beteiligte mindestens auf K4 bewegen sollten. Szenarien werden exzessiv trainiert, um eine gewisse mentale Resilienz zu erreichen. Manche Trainer außerhalb von solchen Organisationen verwenden auch Kampfsport-Trainings für die Erhöhung der Resilienz, physisch und mental. Das passt auch zum Thema körperliche Wahrnehmung bei Jugendlichen.
Was könnte noch helfen, um Komplexitätsmanagementfähigkeiten und mentale Resilienz zu erhöhen, Kinder z.B. nicht in Watte packen und sie vor allem beschützen. Wie beim Laufen lernen mehrmals Hinfallen und wieder Aufstehen gehören Misserfolge und Scheitern zum notwendigen Lernprozess.
Klingt etwas trivial, ist es aber nicht. Kann ich als Vater bestätigen.
Danke für diese Beispiele zum Zusammenspiel von Körper und Geist. Das Leben ist unser bester Lehrer. Die Modelle helfen uns nur, das nachvollziehen zu können
Den Aspekt der Integration auf körperlicher Ebene finde ich sehr spannend. Hast du da bei Dr Maja Storch Ansätze gefunden? Und/oder Ideen zu, wie das aussehen kann?
Zum Thema Jugendliche: Da ist mein Gedanke, dass es darum geht, dass sie Räume brauchen ihre K-Fähigkeiten zu erhalten und auszubauen. Und, dass das glaube ich, im heutigen Bildungs- und Gesellschaftssystem gar nicht so leicht ist. Da knüpft meine Frage an, warum es einigen Menschen gelingt, ihre K-Fähigkeiten zu erhalten und so viele zurück auf K0 und K1 fallen? Da würde ich gerne weiter denken, denn dort könnten Aspekte für den präventiven Ansatz enthalten sein.
Das finde ich einen sehr interessanten Gedanken, merke da aber auch gleichzeitig, dass es mir manchmal schwerfällt einige Stufen auseinander zu halten. Denn ich würde intuitiv sagen, dass zB Einsatzkräfte der Feuerwehr gut auf K1 funktionieren können. Und dann wäre ihr Training einfach nur Training und hätte nichts mit den K-Fähigkeiten zu tun. Die These, die du ja aufstellst ist: K-Fähigkeiten können durch das Training unter Streß gefördern werden. Oder? Oder bezieht sich dein Beispiel explizit auf die Stabilisierung von K4 aus K3?
Gleichzeitig denke ich an einen Satz von @gitta.peyn , den ich hoffentlich richtig in Erinnerung habe, dass die Stufen beobachterabhängig sind. Und jetzt habe ich einen Knoten im Kopf, wenn ich darüber nachdenke, wie wir darüber sprechen können, K-Fähigkeiten zu fördern/erweitern. Wer hat Gedanken dazu?
Beim Embodiment (Verkörperung) geht es in erster Linie darum, eine gute Wahrnehmung für die körperlichen Prozesse zu entwickeln und dadurch auch eine gute Verbindung zwischen Körper und Geist (wieder) herzustellen. Hierbei können die von @patpoet beschriebenen Trainings z. B. im Kampfsport hilfreich sein bzw. alles, was hilft, den Körper bewusst wahrzunehmen.
Durch das intensive Training z.B. bei Feuerwehrleuten können die normalen Reaktionen in extremen Stresssituationen (Flucht, Erstarrung bzw. Kampf) dann besser reguliert werden und dadurch der Zugriff auf die kognitiven Prozesse erhalten bleiben.
@gitta.peyn hat hierzu mal das Beispiel gebracht, dass ihr Körper in einer extremen Stresssituation gezittert hat, ihr Verstand jedoch ganz klar geblieben ist. Diese Selbststeuerung kann m.E. nur gelingen, wenn das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist entsprechend trainiert ist.
In Bezug auf die Erhaltung der natürlichen K-Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen geht es auch darum, dass sie die Verbindung zu sich behalten. Kinder erfahren die Welt noch mit allen Sinnen und sind ganz verkörpert. Das wird ihnen immer mehr abtrainiert. Auch die intuitiven Lernwege (z.B. verbal versus bildlich) werden nicht erkannt bzw. von vorneherein verbal vorgegeben. Dadurch verlieren die Kinder immer mehr die Verbindung zu sich selbst sowie zu ihrer Umwelt und damit die Quelle zur Erhaltung der K-Fähigkeiten und auch für eine gesunde Entwicklung.
Prof. Dr. André Frank Zimpel forscht z. B. zu optimalen Lernbedingungen unter Berücksichtigung von Neurodiversität und integriert die Erkenntnisse in das Lehramtsstudium: https://neurodiversityresearch.com/
Das ist ein wichtiger Ansatz, um die K-Fähigkeiten in den Schulen fördern zu können.
@Birthe Zur Klarstellung, die Beteiligten auf K4-Ebene sind eher die Führungskräfte, die schnell die Lage antizipieren und Entscheidungen treffen müssen. Das muss nicht immer der Einsatzleiter sein, dies kann auch z.B. einzelne Gruppenführer betreffen, die autark eine Aufgabe zu erfüllen haben. Und ja, ich meinte eher die Stabilisierung vorhandener K-Fähigkeiten. Ich bin kein Spezialist hierfür, sondern eher beobachtendes einfaches Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr.
Vielleicht wird andersherum ein Schuh daraus: K-Fähigkeiten sind ja da - also nicht behindern, einhegen, verbieten, aussortieren, … #C2MMG
Es geht in meinen Augen darum systemisch und strukturell Klima und Rahmenbedingungen dazu zu fördern und zu entwickeln - nicht Personen.
Je nachdem welchen Alters sie sind, geht es im Bildungswesen darum, PädagogInnen dafür zu sensibilisieren, zu erinnern (an ihre eigenen Fähigkeiten, die ja angelegt sind) und darin zu schulen, sie bei anderen - vor allem bei Kindern - nicht zu unterdrücken. Montessori-Pädagogik (nicht ideologisch betrieben) zeigt in der Theorie dazu viele Ansätze. Sie wird jedoch von in Bildungswesen zuvor konditionierten PädagogInnen praktiziert…
(Gendersternchen macht Schrift kursiv… )
Ich glaub, es verhält sich eher wie beim Fahrradfahren. Jahrelang nicht praktiziert, erinnert sich Körper und Hirn wieder. Erst etwas auf Schlingerfahrt, doch später, als wär nix gewesen.